Handwerk hat goldenen Boden - aber der Nachwuchs fehlt

04.03.2021

MdL Michael Wäschenbach informierte sich im Live-Online-Forum über die Situation des heimischen Handwerks
Betzdorf. Auch heute noch hat das Handwerk „goldenen Boden“, so jedenfalls der allgemeine Tenor der zahlreichen Teilnehmer, die sich am Dienstagabend in das Live-Forum des CDU-Landtagsabgeordneten Michael Wäschenbach zugeschaltet hatten. Dennoch fehlt es insbesondere am Nachwuchs. „Es ist eine gesellschaftliche Katastrophe, dass hier in Rheinland-Pfalz Studenten aus Platzmangel in den Hörsälen auf Heizungen sitzen, während Backstuben und andere Handwerksbetriebe leer stehen“, sagte der Landesinnungsmeister des Landesinnungsverbandes des Dachdeckerhandwerks Rheinland-Pfalz, Johannes Lauer. Seiner Meinung nach sei daran sowohl die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems Schuld als auch eine ideologiebelastete Politik, die die akademische Ausbildung höher bewerte als die handwerkliche.

Auch Dr. Peter Enders sah das ähnlich: „Man hat manchmal das Gefühl, dass der Mensch erst beim Abiturienten anfängt, das ist völlig falsch und absurd“, sagte der Landrat, dessen Vater selbst Handwerksmeister gewesen sei. Wie aber die Bedeutung des Handwerkes in der Gesellschaft steigern, wie seine Attraktivität auch als Ausbildungsstätte fördern? Zu diesen Fragen hatten die Teilnehmer durchaus schlüssige Konzepte: So möchte Michael Wäschenbach beispielsweise den Meisterbrief als „Qualitätsmerkmal erhalten und fördern“ und Andreas Unger vom Landesinnungsverband forderte, die Kosten von etwa zehn bis fünfzehntausend Euro für die Erlangung dieses Zertifikats komplett durch Bund und Land aufzufangen. „Ein Teil der Aufwendungen wird zwar übernommen und ein anderer über staatliche Kredite finanziert, aber ein Teil des Geldes muss trotzdem noch zurückgezahlt werden“, so Unger.

An der Motivation der Auszubildenden, wenn sie denn einmal „Handwerkerluft“ geschnuppert haben, mangelt es freilich nicht. So berichteten viele von positiven Beispielen; während nämlich Alexander Baldus von der Roland Schmidt GmbH aus Neustadt (VG Rennerod) und Johannes Lauer von hochmotivierten Migranten sprachen, die sowohl durch ihr Auftreten, als auch durch Pünktlichkeit, Umgänglichkeit und gute schulische und handwerkliche Leistungen überzeugten, lobte Bettina Lück, die selbst einen heimischen Handwerksbetrieb führt, ihren derzeitigen Auszubildenden. „Von solchen Jungen wünscht man sich vier oder fünf im Betrieb“, sagte sie und verwies gleichzeitig auf die Anerkennung durch die Kunden: „Die Jungs werden heutzutage mit Kaffee und Kuchen empfangen, so sehr freuen sich die Leute“. Genau da aber liegt auch ihrer Meinung nach das Manko, denn je weniger Auszubildende, desto größer die Gefahr, dass eine Unterversorgung mit Handwerkern entsteht.

Um dem entgegenzuwirken, sollte nach Meinung des Vorsitzenden der Kreis-Schülerunion, Alexander Stohl, auch an den Gymnasien mehr für die Werbung für solche Berufe getan werden: „Bisher spielt die Berufskoordination an den Gymnasien eine eher untergeordnete Rolle, aber ich glaube, dass es auch an den Gymnasien genug Leute gibt, die eine hervorragende handwerkliche Karriere machen könnten“, so Stohl. Und obwohl die Herausforderungen sich nach Meinung von Landesinnungsmeister Johannes Lauer geändert hätten, würde eine solide Ausbildung in den „Grundsportarten Mathe und Deutsch“, wie sie an den früheren Hauptschulen mit viel Lehrerengagement durchgeführt worden sei, die entscheidende Basis für eine handwerkliche Karriere legen. Alexander Baldus bemängelte noch die fehlenden Entsorgungsmöglichkeiten wegen geschlossener Deponien, die für die Handwerker dringend notwendig seien.

Wäschenbach bedankte sich bei Dachdecker Joachim Löcherbach aus Niederfischbach, in dessen Betrieb er in der Woche des Handwerks 2018 ein Tagespraktikum absolvieren durfte. Wäschenbach, der selbst aus einer Bäckerfamilie stammt, fasste zum Schluss zusammen: „Ich möchte, dass das Handwerk wieder die gleiche Wertigkeit in unserer Gesellschaft erhält wie die akademische Ausbildung“, so der Landtagsabgeordnete: „Die wichtigsten Botschaften an die Politik sind heute deutlich geworden und die werde ich mitnehmen.“